„Wir schaffen das!“ – Diesen berühmten Satz sagte die Bundeskanzlerin am 31.08.2015 während einer Pressekonferenz. Das ist nun schon 5 Jahre her, Zeit zu fragen, ob sie mit ihrer Prognose Recht hatte. Einige werden dies mit einem „Nein“ beantworten, andere mit einem „Ja“. Ich denke, beides ist falsch, denn das, was es „zu schaffen“ galt, ist viel zu komplex, um es so einfach und absolut zu bewerten. Es ging und geht nach wie vor um die Integration von weit mehr als einer Million Menschen aus vielen verschiedenen Ländern. In vielen Fällen ist dies ohne Zweifel nicht gelungen und in sehr vielen Fällen bleibt noch viel zu tun, aber es gibt auch sehr viele Erfolgsgeschichten, die Mut machen. Diese positiven Beispiele, von denen es bei uns im Papenteich nicht wenige gibt, zeigen, dass es sich lohnt, es „schaffen zu wollen“. Sie sollten Ansporn sein, sowohl für die Geflüchteten, als auch für uns, die Unterstützer. Zur Integration gehören immer beide Seiten, die einen, die sich integrieren wollen und die anderen, die die Integration zulassen. Oder, wie es ein arabisches Sprichwort sagt: „Zum Klatschen braucht man 2 Hände!“
Mahama z.B. musste schon als Kind mit seiner Familie aus dem westafrikanischen Heimatland fliehen, lebte lange Zeit in einem Nachbarland, wo er als junger Mann seine Frau Alimatu kennenlernte. Nach einer jahrelangen Odyssee durch Nordafrika schafften sie nacheinander von Libyen aus die Überfahrt nach Italien. Nun leben sie mit ihren beiden kleinen Kindern im Papenteich und hoffen sehr, dass sie bleiben dürfen, denn aufgrund ihrer Herkunftsländer droht ihnen die Abschiebung. Sie haben den Vorteil, dass sie gut Englisch sprechen, nun lernen sie fleißig Deutsch. Mahama hatte zunächst Gelegenheitsjobs und Praktika und möchte gerne eine Ausbildung machen, als Grundstein dafür hat er gerade sehr erfolgreich die Berufseinstiegsklasse-Metalltechnik abgeschlossen und dabei den Hauptschulabschluss erworben. Mit einem Zeugnis, in dem nur Einsen und Zweien stehen, wurde er Jahrgangsbester. Darüber hinaus beeindruckte Mahama seine Klassenkameraden durch einen Vortrag mit dem selbstgewählten Thema „Kulturschock“, den er nun netterweise für uns Flüchtlingshelfer wiederholte. Er definierte zunächst den Begriff, erläutere kurz die 4 Phasen, in die sich das Phänomen wissenschaftlich gliedern lässt, und schilderte dann einige Beispiele aus seinem persönlichen Erleben.
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Da Mahama nach wie vor nicht arbeiten darf, nimmt er das Angebot an, weiter zur Schule zu gehen. Sein nächstes Etappenziel ist die Mittlere Reife. Anschließend strebt er immer noch die Ausbildung zum Metallbauer an, sofern er denn darf. Die Stelle bei einer Metallbaufirma ist ihm nach wie vor sicher, der Ausbildungsvertrag war auch bereits von der Handwerkskammer genehmigt. Wir hoffen sehr, dass diese junge Familie, die sich so fleißig und erfolgreich um die Integration bemüht, bei uns bleiben kann.
Die Geschichte von Mahama haben wir auch an die Zeitungen weitergegeben. Die Allerzeitung hat sie am 15.09.20 veröffentlicht!
Und dann ist da Khalid, er stammt aus der Provinz Dafur im Sudan. (Sein Name und die folgenden sind geändert, um die Anonymität zu wahren). Dafur wird seit mehr als 15 Jahren von einander bekämpfenden Regierungstruppen und Rebellengruppen unsicher gemacht. Überfälle, Entführungen und Vertreibung sind an der Tagesordnung. Khalid verließ daher seine Heimat und schlug sich nach Ägypten durch. Von dort aus gelang ihm in einem überfüllten Schlauchboot die Fahrt über das Mittelmeer nach Italien. Schließlich kam er nach Deutschland, wo er im April 2016 zunächst Braunschweig erreichte und ein paar Wochen später in den Papenteich kam. Zu dieser Zeit hatten wir in Eigenregie mit Deutschkursen begonnen und Khalid fiel uns dort gleich mehrfach auf. Es war zum einen seine zurückhaltende, höfliche Art, gleichzeitig aber auch die Schnelligkeit, mit der er Deutsch lernte. Wie die meisten Flüchtlinge wollte er selbst seinen Lebensunterhalt verdienen und arbeitet nun schon seit Jahren in einem Seniorenheim, wo seine Zuverlässigkeit sehr geschätzt wird.
Ebenfalls aus Afrika, jedoch aus Côte d´Ivoire (Republik Elfenbeinküste), stammt der 24-jährige Bernard. Seine Eltern leben nicht mehr, er hat auch keinen Kontakt zu anderen Familienangehörigen. Es gab dort nach einer Präsidentschaftswahl gewalttätige Machtkämpfe zwischen 2 politischen Lagern, bei denen die Clan-Zugehörigkeit eine wichtige Rolle spielte. In dieser brisanten Situation verließ Bernard seine Heimat und schaffte es zunächst bis Libyen. Um die Überfahrt nach Europa bezahlen zu können, hat er dort längere Zeit gearbeitet und dabei sehr viel Elend und Brutalität erlebt, über die er nicht gern spricht. Schließlich erreichte auch er über mehrere Stationen im Oktober 2016 den Papenteich.
Bernard wollte nicht nur arbeiten, sondern entschied sich für eine Ausbildung, weil er darin eine solidere Basis für ein Leben in Deutschland sieht. Deshalb begann er eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann, mittlerweile ist er im zweiten Ausbildungsjahr. Das Hauptproblem für ihn wie für andere Geflüchtete auch, ist dabei die Berufsschule. Denn es ist eine Sache, sich sprachlich verständlich zu machen, aber eine ganz andere Herausforderung, Fachbücher zu verstehen und sich selbst schriftlich korrekt ausdrücken zu können. Doch Bernard arbeitet mit unserer Hilfe sehr fleißig und diszipliniert an diesem Problem und wir sind zuversichtlich, dass er es schafft.
Aus Syrien kamen 2016 zwei Brüder über die Balkanroute in den Papenteich. Als Kurden waren sie dort benachteiligt, hatten keine Schule besucht und konnten daher nicht lesen und schreiben. Mit ihrer Familie waren sie wegen des Bürgerkriegs zunächst in die Türkei geflohen. Die beiden jungen Männer hatten dann den langen Weg nach Deutschland gewagt. Der ältere der beiden konnte 18 Monate später seine Frau und die Kinder nachkommen lassen. Sie leben nun im Papenteich und wollen hier nicht mehr weg. Beide Brüder haben Arbeit gefunden, der jüngere sogar eine Ausbildung begonnen. Die mangelnde Lese- und Schreibfähigkeit ist dabei aber ein sehr großes Problem. Die Kinder dagegen sind noch so jung, dass sie gute Voraussetzungen für eine vollständige Integration haben.
Ich möchte mich hier auf einige Beispiele beschränken, es ließen sich viele weitere hinzufügen. Wir freuen uns mit den Menschen, denen wir helfen können, insbesondere, wenn sie so hart arbeiten, um die Integration zu schaffen. Aber es geht nicht nur um sie, jede gelungene Integration ist auch ein Gewinn für unser Land. In diesem Sinne haben wir entgegen mancher negativen Schlagzeile in den vergangenen 5 Jahren viel geschafft!